Pilgerbericht 2006
von unserer Pilgerschwester
Kerstin Krefft, Driesch
über die Trier-Wallfahrt der Sankt Matthias Bruderschaften Vorst und Holzbüttgen
vom 20. Mai bis zum 24. Mai 2006.
Unsere diesjährige Fußwallfahrt steht unter dem Leitwort:
„Ich bin der Herr, Dein Erlöser, der Dich auf Deinen Weg führt.“ (Jes. 48.17)
Die Wallfahrt, so ist in Mayers Lexikon nachzulesen, ist eine religiös motivierte Wanderung zu heiligen Stätten, Gräbern oder Gnadenbildern; bei den Wallfahrern i.d.R. mit der Vorstellung verbunden, am Wallfahrtsort Gott besonders nahe zu sein und verknüpft mit der Erwartung, dort Stärkung des persönlichen Glaubens, Gewinn religiöser Erkenntnis, Heilung von Krankheiten und Hilfe in persönlichen Notlagen zu erlangen.
Neben dem sportlichen Ehrgeiz ist es vielleicht genau das, was die meisten der 34 PilgerInnen dazu bewegt, sich frühmorgens um 4:45Uhr in der Kirche Sieben Schmerzen Mariens zu versammeln. Pastor Brans hält die Auszugsmesse. Nach dem Segen für die Pilger wird auch der neue Pilgerstab ausgiebig mit Weihwasser gesegnet. Die fast quadratische Krone des neuen Stabs, eine Idee von Lydia, zeigt das Symbol der Matthiaspilger und die Kirche Holzbüttgens.
Das Gepäck und auch die lebensnotwendige Ration Pilgerwasser sind bereits in den Begleitfahrzeugen von Jonas und Franz verladen. Um 5:15Uhr machen wir uns, mit guten Wünschen zahlreicher Angehöriger und Freunde, auf den Weg. Das Wetter soll laut Vorhersage in den nächsten Tagen vorwiegend wechselhaft sein. Es ist kühl, doch es regnet nicht auf unserem Weg nach Scherfhausen. Wir freuen uns über das herzliche Wiedersehen mit Marga und Werner Buchkrämer, die uns mit Kaffee und kalten Getränken empfangen. Ein Pilgerwasser, ein kurzes Lied zum Abschied. Inzwischen sind die Begleithefte ausgegeben. Das Motiv auf dem Deckblatt veranschaulicht unser Leitwort. Lydia hat es gemalt. Nach dem Gebet am Kreuz in Scherfhausen verabschiedet sich Winfried Behrendt von uns. Wegen einer Geburtstagsfeier werden wir ihn erst in Blatzheim wieder sehen.
Schon nach den ersten Metern beginnt es zu nieseln. Herr Kachelmann hatte also doch Recht. Die Regenschirme bleiben bis Gustorf offen. Hier erwarten uns Annemarie, Heinz und Maria mit duftendem Kaffee und knackigen, belegten Brötchen. Da wir 20 Minuten früher als geplant angekommen sind, können wir unser Frühstück in aller Ruhe genießen.
Pünktlich um 10:30Uhr brechen wir auf – es nieselt unentwegt, und der Wind bläst uns eine frische Farbe ins Gesicht. Die Vorfreude auf den rheinischen Sauerbraten treibt uns zügig nach Bedburg. Beim Nachtisch lässt es sich der Wirt natürlich nicht nehmen, uns mit seinen neuesten Witzen aufzuheitern. Nachdem Hildegard und Uschi die ersten Blessuren an den Gliedmassen versorgt haben, ziehen wir gut gelaunt weiter. Sonnenschein macht fröhlich.
Nach einer kurzen Meditation am Brückchen von Schloss Paffendorf aber sollen wir die Launen der Natur kennen lernen: auf freiem Feldweg peitscht uns der Regen von der Seite an. Unsere Hosen sind im Nu völlig durchnässt, und die ersten Schirme drohen bei der gewaltigen Kraftprobe zu kapitulieren. Da wirkt der Pfarrsaal in Thorr wie eine sichere Zuflucht. Bei Kaffee und Erdbeerkuchen, gestiftet von Lydia und Günter, und liebevoll gebacken von Marga und Ludmilla, können wir dem grausigen Treiben draußen, zumindest für kurze Zeit, völlig entspannt zusehen.
An der Kapelle vor Blatzheim halten wir eine kurze Rast. Nach einer weiteren Stunde gelangen wir endlich nach Blatzheim. Wir sind sichtlich erschöpft und froh, unser erstes Etappenziel erreicht zu haben. Winfried kommt an und wirkt so gar nicht erschöpft.
2. Tag
Welch ein Glück – beim Abmarsch ist es kalt, aber trocken. Dann zeigt sich sogar die Sonne, und schon sieht alles viel freundlicher aus. Kurz hinter dem Flugfeld in Nörvenich taucht eine kleine, schwarze Katze auf, die entweder völlig orientierungslos ist oder sich uns auf dem Weg nach Trier anschließen möchte. Jedenfalls begleitet sie uns etliche Kilometer und wartet auch am Kreuz auf uns, als Odilia die Danksagung „Für das gute Leben“ verliest. Da Andrea das Kätzchen mit einem Butterbrot belohnt, bleibt es bis zum nächsten Dorf an unserer Seite. Sie kam übrigens von links und bringt uns bestimmt viel Glück.
Nach reichhaltigem Frühstück in Gladbach sind wir gerüstet für die Bahngleise am grünen, scheinbar endlos langen, Zülpicher Feld. Ein bunter Triebwagen fährt an uns vorbei, und wir werden mit kräftigem Hupen begrüßt. Leider ist das Aufspringen während der Fahrt verboten – aber daran sollte man als guter Fußpilger sowieso nicht denken.
Das Kreuz in Zülpich ist unser nächstes Ziel. Hier spricht Heijo das „Fünf-Wunden-Gebet“. Und schon geht’s auf zur „Hölle“. Im Gänsemarsch erklimmen wir den steilen Anstieg zum Hochbehälter. Jonas und Franz stehen mit ihren Fahrzeugen bereits am Sammelpunkt und halten erfrischende Getränke bereit.
In Eicks begrüßen wir Pastor Brans. Er zelebriert für uns die Eucharistiefeier in der Pfarrkirche. Marga, die Schmitzens und Heinz Schröder sind auch angereist. Nach der Meditation am Marientempelchen geht es quer durch den Wald und vorbei an grellgelben Rapsfeldern zum Parkplatz in Mühlental. Ein Bus steht bereit, der uns nach Nettersheim bringt. Viele nutzen die kurze Fahrt für ein erholsames Nickerchen. Auf der letzten Strecke nach Blankenheimerdorf sprechen wir das Abendgebet und singen ein „Segne du Maria“.
Im Gasthaus Cremer werden wir von Grünpapagei Agathe bereits sehnsüchtig erwartet. Dass Kathrin direkt neben dem Käfig Platz nimmt, animiert Agathe zu anhaltender, lautstarker Freude. Heute ist übrigens Bergfest, aber zum Feiern sind wir einfach zu müde.
3. Tag
Aufbruch ist um 5:15Uhr - zum Nonnenbach. Meistens ist es dort sehr kalt. Vorsorglich wärmen wir uns mit belebenden Getränken an. Große Aufregung gibt es auf dem Weg nach Esch: Die Spitze des neuen Pilgerstabs ist abgebrochen. Zum Glück hat es Gisela beobachtet, und die Messingplatte ist gerettet. Zudem fängt es wieder an zu regnen. Als Günter seinen grünen, wadenlangen Regenumhang anzieht, werden wir irgendwie an einen Schafhirten erinnert. „Ihr seid doch Gottes Lämmer“, meint er dazu. Und das stimmt ja auch.
Mittags kehren wir in Hillesheim wieder beim Amtsrichter ein. Riesige Portionen werden aufgetischt. Aber wir vermissen den leckeren, frischen Salat. Den sollte es im nächsten Jahr wieder geben.
Die anschließende Busfahrt zum Ortsausgang von Gerolstein bietet wieder Gelegenheit, etwas zu dösen.
Kurz vor dem großen „Taufbecken“ am Pröpperbach wird Irmgard, unsere Neupilgerin, mit wasserdichter Schutzkleidung ausgerüstet. Das ist auch nötig, denn Brudermeister Heijo geht mit dem „Taufwasser“ äußerst großzügig um. Lydia und Günter, unsere 10-Jährigen Jubilare, werden auch getauft.
Schon weit vor der Salmer Wiese schallt uns Glockengeläut entgegen. Johannes Höhner hat eine CD mit Kirchenglocken des Stephansdoms als Willkommensgruß für uns aufgelegt. Unter dem Sonnenschirm ist ein Kuchenstand aufgebaut, der allen wieder Appetit macht. Kalorien sind während unserer Pilgertour kein Thema. Außerdem haben wir ja noch den mühsamen Anstieg vor Meisburg vor uns. Zur Hl. Messe mit Pfarrer Brans ziehen wir singend mit dem Lied: „Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind“ zur Abendmesse in die Kirche ein.
Im Gasthof Wiesenthal gesteht uns die Wirtin, dass alle Würstchen beim Erhitzen geplatzt sind. Die optische Abwandlung hat aber keinen Einfluss auf den Geschmack. Hildegard und Uschi versorgen noch am Abend alle Blasen und Zipperlein, damit sie morgen endlich mal wieder von Anfang an mit uns gehen können.
4. Tag
Zur Vorbereitung auf unseren Schweigemarsch verteilen Hildegard und Lydia mit einem roten Herz bemalte Umschläge. Darin befindet sich jeweils ein Zweig, der symbolisch für die individuellen Erfahrungen während der Pilgertour – Freude oder auch Schmerz – angenommen werden kann. Am Brückchen sollen wir unsere Zweige in den Bach werfen, um sie auf den Weg des Lebens zu schicken. Doch so mühelos wie sonst zeigt sich der Weg in diesem Jahr nicht. Die vom Sturm verwüstete Strecke fordert unsere ganze Aufmerksamkeit. Vollkommen sprachlos klettern wir über große umgestürzte Bäume, Odilia mit dem Kreuz voran. Gibt es da eine Affinität zum Lebensweg, der jedem Menschen das eine oder andere Hindernis aufgibt?
Die Hl. Messe in der Frohnertkapelle wird von Pater James aus Indien gehalten. Später, beim Frühstück, erzählt er von seinen Aufgaben während seines vierjährigen Aufenthalts in Deutschland.
Ab und an sehen wir wieder die Sonne. Der heilige Matthias hat uns also doch nicht vergessen. Denn zeitweise kommen Zweifel auf, weil das heftige, kalte Wetter mit all seinen Tücken Einigen ordentlich zusetzt.
Unser Mittagsbuffet in Binsfeld lässt keine Wünsche offen. Annemarie, Maria, Uschi und Heinz haben beim Einkauf wirklich an Alles gedacht. Einfach toll!
Mit „Gehet nicht auf in den Sorgen dieser Welt“ erreichen wir das Kreuz im Zemmerwald. Heijo spricht im Namen Aller unseren aufrichtigen Dank für die unermüdliche Hilfsbereitschaft und die nahezu unendliche Geduld unserer „Krankenschwestern“ und Fahrer aus.
Irmgard übersteht ihre letzte Prüfung, die Teufelaustreibung, mit Bravour. Überglücklich fallen wir uns in die Arme – wir haben es geschafft!
Nachdem uns ein Bus in Trier abgesetzt hat, sind es nur noch wenige Meter zur Basilika. Der Einzug in St. Matthias ist wohl für jeden Pilger der überwältigende Höhepunkt. Beim Klang der Kirchenglocken und der gewaltigen Orgel, die zum „Großer Gott, wir loben Dich“ anstimmt, fließen Freudentränen.
Den Abend im Mercure verbringen wir in ausgelassener Stimmung.
5. Tag
Heute klingelt der Wecker ganze drei Stunden später, denn das Pilgeramt beginnt erst um 09:00Uhr.
Mittags verabschieden wir uns in St. Matthias. „Gott hält uns auf allen Wegen fest“, so gibt uns Pater Hubert mit auf die Heimreise, „aber immer nur so fest, dass wir auch allein gehen können“.
Nach staureicher Busfahrt kommen wir in Holzbüttgen an und ziehen singend in die Kirche ein. Einen Kreis um den Altar bildend singen wir „Nehmt Abschied Brüder“ und sagen uns auf Wiedersehen. Wir werden nun wieder in unsere vertraute Umgebung zurückkehren.
Jede Wallfahrt, für sich, ist unvergleichbar, so wie die Botschaft oder die Erkenntnis daraus für jeden einzigartig ist. Wahrscheinlich sind die Anstrengungen und die Qualen während unserer Wallfahrt schnell vergessen.
Doch ich wünsche meinen Pilgerschwestern und Pilgerbrüdern, dass die Freude, die Harmonie und die bewegenden Erlebnisse, die wir in dieser Zeit erfahren und auch miteinander geteilt haben, hoffentlich noch lange lebendig bleiben.
Kerstin Krefft
Kerstin Krefft, SMB Holzbüttgen
