Pilgerbericht 2010

von unserem Pilgerbruder
Achim Wetzel, Holzbüttgen

über die Trier-Wallfahrt der Sankt Matthias Bruderschaften Vorst und Holzbüttgen
vom 08. Mai bis zum 12. Mai 2010.

 

Tja, wie soll man so einen Pilgerbericht schreiben?

Es hatte sich erst während der Fahrt entschieden, dass ich den Bericht schreiben werde, so konnte ich keinen Schlachtplan entwerfen. Das ist ja manchmal ganz gut, denn so kann sich das Spontane besser entfalten. Vor allem, wenn man, wie ich, erst das zweite Mal mitwallfährt, braucht es schon einiges an Spontaneität, denn auf jahrelange Erfahrung kann ich ja nicht zurückgreifen. Das Erstpilgern letztes Jahr war so inspirierend, dass mein „Taufpate“ Peter und ich uns schworen, diese Mal wieder dabei zu sein. Einer der vielen Vorteile des unglaublich gut organisierten Pilgerns ist es, dass man sich nur treiben lassen braucht, als Teil der Herde vom „Hirten“ Brudermeister Heijo. Da kann man beim zweiten Mal sich wenigstens einen Ruck geben und den Pilgerbericht schreiben, wo doch andere so viel mehr beitragen, den langen Weg so erträglich wie möglich zu gestalten!

Samstag

In der Viel zu früh geht es los. Diesmal von Holzbüttgen aus, mit dem Segen und den besten Wünschen von unserem Pastor Brans. Im Pilgerschritt durch vertraute Umgebung, die man sonst nur auf dem Fahrrad in dieser Geschwindigkeit (und höchst selten um diese Uhrzeit) erlebt. Am ersten Tag bin ich noch frisch und ohne Blasen, da macht das Laufen Spass, und die Umgebung erscheint interessant und frühsommerlich. Schliesslich ist es dieses Jahr so, dass wir einen sehr langen Winter hatten. Erst in den letzten Wochen ist die Natur förmlich explodiert, das Grün ist frisch und zart, noch nicht alle Baumarten haben ausgetrieben. Wie sich in den nächsten Tagen herausstellen wird, ist tatsächlich ein Unterschied zwischen unserer rheinischen Tiefebene und den Bergen der Eifel zu sehen, vor allem beim Löwenzahn. In der Eifel blüht er noch, zuhause sind es schon Pusteblumen. Wie im letzten Jahr gibt es die erste Rast (und das erste Pilgerwasser) in Scherfhausen, und wie letztes Jahr rennen wir, als wenn es kein Morgen gäbe und nicht jeden Tag Dutzende Kilometer auf uns warten. Das Frühstück (Brötchen! Kaffee! Käse! Schinken!) erleben wir im Altenheim in Gustorf, der Pfarrsaal wird gerade umgebaut. Das Wetter ist uns gnädig, es ist bedeckt, nicht zu warm. Der Tag verfliegt (zumindest kommt es mir im Nachhinein so vor) im Fluge. Gehen, sprechen, Ave Maria, Pausieren, was essen. Wenn nur diese Kreuzschmerzen nicht wären! Mit allem hatte ich gerechnet, mir größere Schuhe gekauft, sogar einen Regenschirm dabei, auf einen gleichmäßigen Gang geachtet, aber Rückenschmerzen? Egal, da muss ein Pilger durch, bei jedem Halt mache ich Dehnübungen. Der liebe Gott wird sich dabei was gedacht haben, irgendeine Schandtat des letzten Jahres ist ihm wohl nicht verborgen geblieben. Richtig schön wird es dann am Abend. „Blatzheim“ ist zwar eigentlich kein wohlklingender Name, aber in meinen Ohren nach einem langen Tag…! Nach dem leckeren Abendessen (Brötchen! Kaffee! Käse! Schinken!) begeben mein Taufpate und ich uns in ein kleines Hotel im Ort. Duschen und ins Bett - was man nach so einem Tag auf der Strasse als gelungenen Abend betrachtet ist schon anders als sonst. Wie düster daher die Vorahnung, als wir beim Betreten nicht nur eine Hochzeitsgesellschaft vorfinden sondern auch den Alleinunterhalter beim Aufbau seiner Bontempi-Orgel beobachten dürfen. Als sich dann noch herausstellt, dass unser Zimmer aber wirklich direkt über dem Festraum liegt, schiebe ich meine Ohropax ein Stück tiefer in die Ohren. Ich habe Glück und schlafe tief und fest. Heinz, der als Fahrer auch in dem Hotel schläft und dessen Nacht ohnehin kürzer als unsere ist, muss die erste Hälfte der Nacht der Kegelbahn zuhören. Dafür übertönt er sie in der zweiten Hälfte…

Sonntag

Am nächsten Morgen, oder dem, was ein Pilger dafür hält, schieben wir uns an den freundlich-überraschten Bedienungen und den noch feiernden Gästen mitsamt unserer Taschen vorbei. Die ernstgemeinte Frage eines nur mühsam deutlich sprechenden Hochzeitsgastes wird für den Rest der Fahrt unser geflügeltes Wort: „Seid ihr die neue Musik?“ Der Sonntag beginnt mit einer schlechten Nachricht. Franz-Josef, der heuer sein 20jähriges Jubiläum hat und sich schon auf die Taufe am Pröppersbach freut, muss aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Gedrückter Stimmung verabschieden wir uns. Der Vormittag führt von Blatzheim über das Frühstück in Gladbach, die Geduldsprüfung des Zülpicher Feldes durch die grüne Hölle zum Pilgerstein am Hochbehälter und der Rast in der Zehntscheune. Bei den langen, geraden Wegen des Zülpicher Feldes lenkt nichts das Auge ab und die volle Aufmerksamkeit gilt dem Stechen hier und dem Ziehen da. Ich bin besonders dankbar für Franz, dessen besondere Satzmelodie mir für immer im Ohr bleiben wird. Es gibt nur einen Menschen, der „geeeeGRÜSSetseistdumaria“ so sagt, dass meine Füsse ganz automatisch weitergetragen werden. Dort werden die Heldentaten des Tages besprochen (die grüne Hölle zeigte sich bei dem immer noch trockenen Wetter von ihrer gnädigen Seite) und die Füße von der heldenhaften Uschi gepflegt. Diesmal malerisch im Freien. Allerdings ist dies nicht ganz ungefährlich! Das Begleitfahrzeug macht sich selbstständig und verliert dabei nicht nur kurzzeitig sein Nummernschild, sondern versetzt auch eine wartende Fußpatientin in Angst und Schrecken (war es Katharina?)! Und das, wo doch Muttertag ist! Bestimmt ist das jedoch nur als kleine Verdauungshilfe für die sehr gut gefüllten Teller Würstchen mit Schladt gemeint. Es folgt ein Wortgottesdienst in der Pfarrkirche in Eicks. Leider kann Pfarrer Pischel ihn dieses Jahr aus gesundheitlichen Gründen nicht halten. Wir alle wünschen ihm gute Besserung. Dafür aber ist die Vorbereitung, wie bei allen Messen, beeindruckend. Andrea, Lydia, Hasi, Bärbel und allen, die in die Vorbereitung Zeit investiert haben, gilt unser aller Dank. Nach einem kurzen Fussweg („geeeeGRÜSSetseistdumaria“) geht es im Bus bis Nettersheim. Normalerweise geht es hier reibungslos weiter am Holzmuseum vorbei, doch Peters im Bus liegengelassenes handy droht, uns aus dem Tritt zu bringen! Doch dank der Souveränität langjähriger Erfahrung (Dank an die Fahrer!) und hilfsbereiten Eifeler Busfahrern wird unser Zeitplan nicht in Mitleidenschaft gezogen. Der Tag endet im Gasthaus Cremer, dort gibt es kühles Bier, staunende Kneipengäste und Schnitzel mit Pommes. Eine besondere Erwähnung verdient die Unterbringung dieser Nacht. Über drei Zimmer verteilt schlafen wir in einer Ferienwohnung. Zum ersten Mal erlebe ich eine Wohnung, in der alle Räume, einschließlich Küche und Badezimmer, mit Teppich ausgelegt sind. Ich wundere mich wortreich darüber und bekomme von den erfahrenen Pilgern zum Einen angedeutet, nicht so undankbar zu sein, früher hätte man von einem Teppichboden in der Unterkunft nur träumen können, zum Anderen hätte ich die wahre Attraktion des Hauses, nämlich die Vermieterin, gar nicht zu Gesicht bekommen! Wie es scheint hat Lydia sich selbst bei der Unterkunftsauswahl übertroffen. Die erste Nacht im Kirmeszelt, die zweite im Freudenhaus, wo werde ich in der nächsten nacht schlafen?

Montag

Die Nacht verläuft ruhig, es ist warm und es tönt keine Hochzeitsmusik. Bis auf Peter, der die ganze Nacht auf seiner Matratze auf dem Boden wachliegt und hofft, dass die Vermieterin doch noch zum Frühstück kommt, schlafen wir alle vorzüglich. Am Morgen koordinieren sich 6 Männer mit Frühstück und Badezimmer und das klappt vorbildlich. Und das, obwohl Rolf erklärt, dass er kein Krake sei, keine sechs Arme habe und daher auch keine sechs Sachen gleichzeitig machen könne! Also auf, Treffen im Blankenheimerdorf und los geht es. Wieder ist das Wetter trocken, wir laufen durch die frühlingshafte Eifel und freuen uns der Landschaft und unserer ausgeruhten Knochen und Füße. Die heilige Maria und der heilige Matthias tragen uns, wir bitten sie auf dem Weg hundertfach, für uns Sünder zu bitten. Frühstück gibt es im Gasthaus Stabel in Esch, die Milch kommt frisch im Eimer an den Tisch, schnell beschlagen die Scheiben in der gemütlichen, engen Gaststube. Ausgeruht und frisch versorgt geht es weiter. Vor dem nächsten Halt wird eine Baustelle durchquert, welches Mechthild zu der Bemerkung inspiriert, ihr würde der ganz Schlamm an den Sohlen nichts ausmachen, schliesslich wollte sie schon immer mal einen Meter achzig groß sein! Mit solch positiver Einstellung ist dann auch schnell der Amtsrichter in Hillesheim schnell erreicht. Zum Mittagessen stoßen Hildegard, Heinz und Annemarie sowie Jonas und Maria und Heinz zu uns. Die Portionen sind wie im Vorjahr (und wohl auch in den Jahren davor) reichlich, und der Amtsrichter wird ohne Gegenstimme für das Folgejahr wieder ausgesucht. Nach hartnäckigem Zählen wird dann auch endlich die Teilnehmerliste ausgefüllt, schließlich und endlich findet sich der letzte Teilnehmer und die Zahl der Pilger stimmt jetzt mit der Anzahl auf der Liste überein! Nach dem Amtsrichter geht es mit dem Bus nach Gerolstein und dann weiter zum Höhe- oder vielmehr Tiefpunkt für unsere Erstpilger. Wie froh bin ich, diese Prüfung bereits im Vorjahr überstanden zu haben und dieses Jahr mit meinem Taufpaten fröhlich schwatzend den Berg zum Pröpperbach hinaufzugehen. Hilfsbereit und mitfühlend bereite ich natürlich die diesjährigen Erstpilger, Josefine und Hans-Joachim (mit Bindestrich) ausführlich darauf vor, was sie Schlimmes erwarten wird. Die Taufe verläuft glücklicherweise ohne Verletzungen, auch für die 10jährigen, Franz Eggert und Irene. Zur Erbauung erwartet uns alle im Anschluss dann leckerer Aprikosen- und Kirschkuchen auf der Wiese vor Salm. Es ist kühl geworden und ein kalter Winde pfeift uns um die Waden. Zum Glück werden wir durch lautes Glockengeläut abgelenkt und auf die Ankunft von Pfarrer Brans aufmerksam gemacht. Peter und ich füttern noch die Löwen im Safaripark, dann humpeln wir nach Salm. Dort feiern wir dann gemeinsam die heilige Messe in der Kirche mit den schönen Heiligendarstellungen in den Kirchenfenstern. Im Anschluss dann im Hotel Müller ein üppiges Abendessen und Versorgung der Füße in der umfunktionierten Kegelbahn. Es gibt zwar nur Pils, erstmals kein Kölsch mehr, das hält jedoch Hans-JoachimmitBindestrich nicht davon ab, erst nach nachdrücklicher Aufforderung durch den Brudermeister das Bett zu finden. Doch auch andere Pilger reiferen Alters randalieren wie die Schuljungen, einer entwendet sogar eine unbewachte Schubkarre, ob er sie wohl wieder zurück gebracht hat?

Dienstag

Nach dem Bustransfer und einem Spaziergang durch die Morgendämmerung sind wir wieder mit Zeitpuffer an der Marienkapelle. Wir erleben eine Meditation mit Blick über die frühmorgentlichen Täler. Wieder bin ich dankbar für die Zeit, die von so vielen in die Vorbereitung gesteckt wird. In der wunderschönen Frohnertkapelle erleben wir gemeinsam die Messe des heutigen Tages. Die Akustik ist super und der Pastor freut sich über den kräftigen Chor der Pilger. Ein paar Ave Maria später das Frühstück in dem großen Saal in Oberkail. Es wird Marmeladenraten gespielt und es gewinnt Zucchini-Apfel, die von niemandem erschmeckt wird. Weiter geht es am Fliegerhorst in Spangdahlem vorbei, im Gegensatz zum letzten Jahr ist jedoch kein Flugbetrieb. Es geht durch viel Nadelwald, was den mittlerweise drei Sandalenträgern in der Gruppe den einen oder anderen Piekser in der Fußsohle beschert. Alles ist jedoch vergessen bei dem toll vorbereiteten Mittagsbüffet in Binsfeld. Dafür macht nun das Wetter mehr und mehr Sorgen, bei der Ankunft am Bruderschaftskreuz regnet es in Strömen. Das hält Lydia natürlich nicht davon ab, ihre schönen Gedichte für die Neupilger und ihre Teufelsaustreibung vorzutragen. Ganz zu schweigen von dem heimischen Nusskuchen, der direkt von der Heckklappe serviert wird. Im Bus geht es nach Trier, leider wegen des Regens direkt bis zur Basilika, der Weg von der Römerbrücke bis zur Kirche entfällt. Der Abend gehört dem geselligen Beisammensein, dem bunten Abend, gestaltet von unzähligen Pilgerbrüdern und Schwestern. Alle schmerzenden Füsse sind vergessen, das Ziel ist erreicht.

 

Achim Wetzel


Achim Wetzel, SMB Holzbüttgen
2010 AchimWetzel